Der European Accessibility Act: Ein Plädoyer für besser zugängliche Websites

Es gibt viele Gründe, Ihre Website barrierefrei zu gestalten: Sie sprechen eine immer größer werdende Zielgruppe an, sie erhöhen Ihre Konversionsraten und verbessern Kundenerfahrungen sowie SEO. Der bevorstehende Europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, EAA) ist der letzte Aufruf, mit der Arbeit für mehr Barrierefreiheit zu beginnen. Doch viele Websites und Webshops liegen noch immer hoffnungslos im Rückstand.

Einer von fünf Menschen hat mit einer Behinderung zu kämpfen. Die Bandbreite reicht von Blindheit (2 %) und Farbenblindheit (8 %) über geistige Behinderungen (15 %) bis hin zu Amputationen oder motorischen Behinderungen. Durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung wird diese Gruppe zukünftig weiter wachsen. Nimmt man noch die Gruppe der Menschen hinzu, die von einer vorübergehenden Behinderung betroffen sind, wie beispielsweise einem gebrochenen Arm, wird die Zielgruppe unübersehbar groß.

Digitale Technologien und der Grundsatz "Design für alle"

Der EAA wird am 28. Juni 2025 in Kraft treten und soll das Leben von mindestens 87 Millionen Europäern erleichtern. Der EAA wird bald für bestimmte Produkte wie Smartphones, PCs, E-Reader, Check-in-Automaten, Fernsehgeräte und Geldautomaten sowie für bestimmte Dienste wie Bankdienstleistungen, Online-Shops, Websites, Ticketdienste, Informationsdienste, E-Books und Notrufnummern gelten. Kurzum: Die gesamte digitale Welt soll leichter zugänglich werden.

Fehlt diese Zugänglichkeit, kann bald jeder Betroffene eine Beschwerde einreichen, die zu einer Geldstrafe für den Anbieter führen kann. Derzeit ist noch kein zufriedenstellendes Maß bekannt, aber es wird erwartet, dass die gleiche Methode wie bei der DSGVO angewandt wird: ein bestimmter Prozentsatz des weltweiten Umsatzes des Anbieters (bis zu einer klaren Obergrenze) wird hier vermutlich angesetzt werden. Das könnte also bald Beträge in Millionenhöhe bedeuten.

Es bleibt noch einiges zu tun, um Barrierefreiheit im Internet zu erreichen

Level Level prüfte 15 Online-Shops aus dem Twinkle100 zur Barrierefreiheit im Internet im Jahr 2021. Bei About You, Bijenkorf, Hema, Ikea, Jumbo, MediaMarkt, Wehkamp und Zalando war es völlig unmöglich, als blinde Person zu bestellen.

In den Jahren 2022 und 2023 wiederholte Level Level die Untersuchung der Barrierefreiheit bei denselben Webshops und kam zu dem Schluss, dass es weiterhin noch einiges zu tun gibt. Das ist schade, denn diese E-Commerce-Plattformen schließen damit nicht nur eine große Gruppe aus, sondern verpassen auch alle möglichen zusätzlichen Vorteile. Den einzigen Unterschied machte Jumbo, indem sie den Bestellprozess auf blinde Kunden abstimmten. 

Die kommerziellen Vorteile von Barrierefreiheit

Die Befolgung der Webmaster-Richtlinien von Google (jetzt: Google Search Essentials) war für die Suchmaschinenoptimierung schon immer ratsam. Die Beschreibung eines Bildes mit dem Alt-Bild-Tag sagt nicht nur den (halb-)blinden Nutzern mit Sprachsoftware, worum es geht, sondern auch den Suchmaschinen. Diese belohnen das mit mehr organischem Traffic.

Auch die Auswirkungen auf den Umsatz sind beträchtlich: so konnten Kunden der E-Commerce-Plattform CMS Max aufgrund der verbesserten Zugänglichkeit eine um 20 bis 30 % höhere Konversionsrate verzeichnen. Tatsächlich gibt es auch eine indirekte Folge: Barrierefreiheit verbessert die Navigation, das Design und die Benutzerfreundlichkeit, was wiederum ein besseres Kundenerlebnis für alle Nutzer schafft. Je früher Sie damit beginnen, desto mehr profitieren Sie von diesen Vorteilen, während Ihre Konkurrenten die Barrierefreiheit immer noch als ein "Muss" für "einen" blinden Nutzer ansehen.

Warten Sie nicht bis zur letzten Minute

Ein Audit - intern oder extern - wird schnell eine Reihe von Problemen aufdecken, die leicht zu lösen sind. Beginnen Sie mit kleineren Änderungen, aber denken Sie auch daran, dass am Ende das große Ganze stimmen muss. Engpässe, die mehr Aufmerksamkeit erfordern, müssen nicht direkt angegangen werden. Ein guter Anfang ist z. B. die Farbenblindheit. Gestalten Sie Ihre Website farbenblindfreundlich, indem Sie bestimmte Farbkombinationen vermeiden, Links besser sichtbar machen, für ausreichenden Kontrast sorgen und Icons verwenden.

Eine zweite Maßnahme mit unmittelbarer Auswirkung ist das Sprachniveau Ihrer Texte. Ein tieferes Sprachniveau macht Ihre Website nicht nur für Besucher mit geringerer Bildung oder geistiger Behinderung zugänglich - auch für Menschen mit höherer Bildung sind einfache Texte leichter zu lesen. Ein kostenloses Tool wie das Accessibility Reading Level-Tool zeigt sofort das Leseniveau an.

Einhaltung der WCAG-Standards

Ein guter nächster Schritt ist die Erfüllung der WCAG 2.1-Richtlinien. Diese Richtlinien für die Zugänglichkeit von Webinhalten sind für Websites von (halb-)staatlichen Einrichtungen bereits gesetzlich vorgeschrieben und bieten ihnen praktische Leitlinien für Verständlichkeit, Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit und Robustheit.

Einige Personen in Ihrer Organisation werden sich mit diesen Richtlinien befassen müssen. Die Verständlichkeit bezieht sich auf das Leseniveau und ist eine Aufgabe für den Texter. Zur Wahrnehmbarkeit und Bedienbarkeit gehören Audiosteuerung, Textalternativen wie Transkripte für Videos und Navigation. Dies sind Dinge, auf die sich UX/UI-Designer sowie Content-Ersteller gleichermaßen konzentrieren. Bei der Robustheit geht es um den Code, für den der Backend-Entwickler verantwortlich ist.

Indem Sie die WCAG 2.1 einhalten, machen Sie Ihre Website für Menschen mit Behinderungen zugänglich. Das ist ein guter Ausgangspunkt, aber nichtsdestotrotz können bestimmte Nutzer immer noch Probleme mit der Zugänglichkeit haben.

Die Messlatte steigt kontinuierlich

Die WCAG-Richtlinien werden regelmäßig aktualisiert: Version 2.2 ist zum Beispiel bereits eingeführt worden. Als Norm deckt sie eine große Anzahl von Benutzerszenarien ab, aber die Einhaltung der WCAG-Richtlinien und bald auch des EAA ist kein Ziel an sich. Sie sind in erster Linie Mittel, um Ihre Website kontinuierlich zugänglicher zu machen. Nutzen Sie die folgenden bewährten Verfahren, um Barrierefreiheit als einen festen Bestandteil in Ihre Website aufzunehmen:

  • Führen Sie regelmäßig Audits durch, um die Barrierefreiheit zu messen. Die Tatsache, dass Barrierefreiheit zu einem verbesserten Nutzer- und Kundenerlebnis führt, liegt auch im Interesse der Führungsebene.
  • Machen Sie Ihr Design zugänglicher. Berücksichtigen Sie die Barrierefreiheit standardmäßig bei der Erstellung neuer Seiten, digitaler Dienste oder Produkte. Dazu müssen Texter, UX/UI-Designer und Backend-Entwickler wissen, wie man die WCAG-Richtlinien richtig erfüllt. Es ist außerdem kostensparender und schneller, wenn Sie Barrierefreiheit von Anfang an integrieren, als wenn Sie sie nachträglich hinzufügen müssen.
  • Schaffen Sie im gesamten Unternehmen ein Bewusstsein für Barrierefreiheit. Barrierefreiheit sollte Teil der DNA sein und die Mitarbeiter täglich inspirieren.
  • Erleichtern Sie den Nutzern, online Feedback zu geben. Machen Sie es einfach, genau anzugeben, woran sie scheitern und unterstützen Sie Ihre Kunden beim Überwinden der Hürden, die sie während ihrer Customer Journey erleben.
  • Beauftragen Sie eine Person oder ein Team mit dem Thema Barrierefreiheit. So bleibt das Thema auf der Tagesordnung und es wird internes Fachwissen aufgebaut. Lassen Sie die Barrierefreiheit nicht in der Mitte stehen, denn dann riskieren Sie, dass sich niemand darum kümmert. Barrierefreiheit lässt sich beispielsweise gut in einen Testplan einbinden, für den der QA-Tester letztlich verantwortlich ist.
Entdecken Sie die Vorteile des EAA für den E-Commerce

Accessibility-Checkliste

Inklusion durch Konformität 

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